Gegen den Lockdown-Koller oder den Corona-Blues, so hört man
allenthalben, helfe nicht nur die Lektüre packender Bücher, sondern auch
der Genuss hingebungsvoll zubereiteter Mahlzeiten. Lesen und Kochen
bzw. Essen scheinen ähnliche Wirkungen zu haben. Dass die beiden
Tätigkeiten miteinander verbunden sind, zeigt sich nicht zuletzt in
Metaphern, die sie aneinander koppeln: Wir haben Lesehunger,
verschlingen Romane, beissen uns an manchen Texten die Zähne aus … Und
umgekehrt sind Essen und Kochen nicht nur Akte der Lebenserhaltung,
sondern auch (entzifferbare) Signifikanten gesellschaftlicher Gefüge und
ihrer Antagonismen. Was und wie wir essen ist verbunden mit Ideologien
und Mythen, mit Hygiene- und Reinheitsvorstellungen und Ausdruck
sozialer Distinktion.
In diesem Lab beschäftigen wir uns kochend,
essend und lesend mit den politischen, sozialen, kulturellen,
historischen und ökologischen Dimensionen des Kochens und Essens. Wir
kommen in Küchen zusammen und erproben in unterschiedlichen
Versuchsanordnungen die Beziehungen zwischen Essbarem und Essenden und
dem Lesbaren und Lesenden; wir experimentieren mit Vorgängen der
Einverleibung und fragen danach, wie der Akt der Ernährung, vital und
täglich, durch kulturelle Praktiken, Rituale und Verbote gleichzeitig
unser Selbstverständnis formt; wir diskutieren die Kodierung von
Lebensmitteln und suchen nach neuen Beschreibungen; wir fragen nach den
Umweltauswirkungen der Produktion von Ressourcen, mit welchen sich
Menschen heute und morgen ernähren; und wir diskutieren, welche Rolle
die Künste bei all dem spielen können.
Für das Lab steht uns die
UNI* zur Verfügung. Ob wir sie für die Lab-Sitzungen gemeinsam nutzen
können oder in unseren eigenen Küchen bleiben, ist jedoch abhängig von
den jeweils geltenden Pandemie-Regelungen.
*UNI ist ein in einem
alten Fitnessstudio gegründeter Off-Space, der Anfang dieses Sommers
eröffnet wurde. Geführt wird die UNI von einem breiten Kollektiv an
Künstler*innen, Köch*innen, Architekt*innen und Musiker*innen. Ziel der
Zwischennutzung ist es, einen diskursiven und transdisziplinären Raum
für Musik, Film, Essen und bildende Kunst zu schaffen. Die UNI will auf
zeitgenössische Bedürfnisse und Notwendigkeiten eingehen und neue
Impulse
setzen. (www.uniun.fit, Universitätstrasse 33)
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It
is said that not only reading gripping books helps against the lockdown
fatigue or the corona blues, but also the enjoyment of devotedly
prepared meals. Reading and cooking or eating seem to have similar
effects. The fact that the two activities are linked to each other is
evident not least in the (German language) metaphors that link them: we
have a greed for reading, devour novels, gnaw our teeth on some texts
and finally digest them … And conversely, eating and cooking are not
only acts of life support, but also (decipherable) signifiers of social
structures and their antagonisms. What and how we eat is linked to
ideologies and myths, to ideas of hygiene and purity and an expression
of social distinction.
In this lab, we will engage with the
political, social, cultural, historical and ecological dimensions of
cooking and eating while cooking, eating and reading. We come together
in kitchens and test the relationships between the edible and the eater,
the readable and the readers in different experimental set-ups; we
experiment with processes of incorporation and ask how the act of
eating, vital and daily, simultaneously shapes our self-understanding
through cultural practices, rituals and prohibitions; we discuss the
coding of food and look for new descriptions; we ask about the
environmental impact of the production of resources with which people
feed themselves today and tomorrow; and we discuss what role the arts
can play in all this.
For the Lab, we have UNI* at our disposal.
However, whether we can share it for the Lab sessions or stay in our
own kitchens depends on the pandemic regulations in place at the time.
*UNI
is an off-space founded in an old gym that opened earlier this summer.
UNI is run by a broad collective of artists, cooks, architects and
musicians. The aim of the interim use is to create a discursive and
transdisciplinary space for music, film, food and visual arts. UNI wants
to respond to contemporary needs and necessities and set new impulses. (www.uniun.fit, Universitätstrasse 33)
- Kursanbieter/in: Margaretha Jüngling
- Mentor/in: Irene Vögeli