Glauben und Wissen, Magie und Technik, Theologie und Philosophie scheinen aus Sicht der modernen Wissenschaft klar getrennt. Die wissenschaftliche Erklärung von Wundern, magischen Praktiken und (Aber-)Glauben war nicht nur Teil der historischen Abgrenzung der Wissenschaft von der Religion, sondern reicht bis in die aktuelle Medien- und Kulturtheorie, Anthropologie und Philosophie hinein. Gleichzeitig greifen wissenschaftskritische Positionen in vielen Fällen Perspektiven und Motive aus Religion, Magie und Mystik auf. Sie beziehen sich dabei sowohl auf nicht-rationale Wissensformen aussereuropäischer Kulturen, die Magie und Technik verbinden und Relationen zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren ins Zentrum rücken, wie auf theologische Figuren vor allem aus dem Christen- und Judentum, die bis in das kybernetische Weltbild mit seinem Berechenbarkeitsphantasma hinein wirksam bleiben und beispielsweise in der Auseinandersetzungen mit Alterität ein menschliches bzw. nicht-menschliches Anderes denkbar machen.
Quer zu den disziplinären Definitionen und Methoden der Untersuchung religiöser Praktiken und Vorstellungen geht das Seminar den Spuren des «anderen Wissens» der Religionen nach. In theologischen Figuren wie der Unbegreifbarkeit und Undarstellbarkeit Gottes können erkenntnistheoretische Fragen adressiert, in der ästhetischen Praxis des Bilderverbots und der Bilderverehrung die Wirkungsweise von Bildern reflektiert und in den vielfältigen Deutungspraktiken heiliger Schriften, die in der klassischen Hermeneutik ebenso wie in der Dekonstruktion virulent bleiben, das Medium der Schrift verhandelt werden. Mittlerfiguren wie Engel, Dibbuks, Heilige, Mystiker*innen oder Wunder lassen sich schliesslich ebenso als Modelle der Vermittlung und Verkörperung verstehen, wie magische Praktiken der Interpretation von Symbolen die Funktionsweise von Zeichen theoretisch-praktisch ausloten. Institutionalisierte Formen der Weltreligionen ebenso wie magische Praktiken in unterschiedlichen Kulturen lassen sich dann mit Blick auf die Verbindung von Wissen und Macht befragen, die nicht nur in der Kritik der christlich-eurozentrischen Perspektive oder des radikalen Islams die politische Dimension des «anderen Wissens» diskutiert wird.